Ein altes Winzerhaus mit großem Grundstück und eigenem Baumbestand. Draussen gackern Hühner, surren schwarze Honigbienen durch den Kräutergarten, Laufenten beseitigen schnatternd die Nacktschnecken des Gemüsebeets. Gerade habe ich den Offenstall der Islandpferde abgeäppelt. Oder auch nicht.
Wir wohnen in einem Mietshaus mitten in der Stadt, um uns herum laute Straßen, Betriebe, zum nächsten Grün muss man schon einige Schritte tun. Fenster, die bei Regen selber schließen. Die futuristische Einbauküche der Vormieter, die wir beim Einzug übernahmen, versetzt mich mit jeder neuen Fehlermeldung in einen verdutzten Zustand: ein Herd, der überhitzen kann. Eine Spülmaschine, die nur anspringt, wenn der eingebaute Laser Bodenkontakt hat (und nicht, wenn etwa eine frech durch die Küche geschnipste Kastanie darunter liegt).
Wir fühlen uns wohl in dieser Stadt: die Menschen sind nach unserem Schlag, wir haben viele Freunde gefunden, gute Arbeit und viele schöne Wanderwege. Hier ist es kinderfreundlich, ruhig und in jedem Falle übersichtlicher als in unserem ehemaligen Wohnort: Berlin. Die Gegend möchte ich ungern wieder eintauschen, die Wohnsituation allerdings schon irgendwann.
Nachts lauschen wir dem Stadtverkehr, sprechen mit Freunden beim Anblick der Neonschrift des Supermarktes auf der gegenüberliegenden Straßenseite unter anderem über Selbstversorgung, Energiewende und Entschleunigung, sitzen auf der Terrasse und sehen außer unseren Blumentöpfen bloß Beton. Da der Vermieter es so wünscht, greifen wir für den Kompostmüll auf Plastiktüten zurück und entgrünen fleißig mit kleinen Küchenmessern die ohnehin viel zu kahle Betonlandschaft des Hinterhofes. Wir bemühen uns um einen gesunden, „langsamen“ Lebensstil aber putzen alle zwei Wochen unsere Fenster, weil man sonst vor lauter Feinstaub kaum mehr etwas dadurch sieht und versuchen, nicht allzuviel über unsere Atemwege und die unseres Sohnes nachzudenken. Paradox, nicht wahr…?
Mein Mann, der Leidenschaftler, sammelt Pläne für selbstgemachte Solaranlagen, tüftelt in seiner Freizeit über mit Regenwasser betriebene Toilettenspülungen nach und überlegt, wie man Leinen anbauen und zu Stoff verweben oder Sonnenblumen anpflanzen und zu Öl pressen könnte. Manchmal schauen wir uns Häuser im Internet an und träumen. Schick muss es nicht sein, das Eigenheim, nur ehrlich.
Die Realität sieht zwar – noch? – etwas anders aus; schließlich sind wir nicht gerade Vielverdiener – aber wer weiß, vielleicht schaffen wir diesen Schritt zur Entschleunigung auch noch irgendwann: die eigenen vier Wände.
Neueste Kommentare